Inhalt der Website:: La Lupa ist anders. Wenn die in Zürich lebende Tessinerin italienische Lieder oder Gedichte singt, taucht sie in die Ozeane der Gefühle ein - und mit ihr das Publikum. Was heisst singen: La Lupa erleidet die melancholisch-tragischen Texte. Dann trägt ihr Vortrag Brecht'sche Züge. Doch wo echter Witz vor (fast) nichts haltmacht, darf Tragik komisch werden, Frivolität ergreifend.
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Main-Echo
Carla Meyer
"Es ist ein Glück, das Leben zu schwänzen." Der Blick ist fest aufs Manuskript geheftet, angestrengt, sie unterdrückt erfolgreich den leichten schwyzerdütschen Akzent: Noch nimmt man der Cantatrice mit dem flammenden Haarschopf das vorwitzige Glücksgefühl nicht ab. Doch dann wechselt La Lupa in ihre Sprache - eine schwungvolle Armbewegung, ihr zartgelbes Schmetterlingsgewand bauscht sich auf.
"é una fortuna marinare la vita", tönt sie, die Stimme wird voll, füllt den hohen, schwarzen Bühnenraum des Aschaffenburger Stadttheaters. Die schlicht-poetischen Verse des Tessiner Dichters Alberto Nessi, die sie rezitiert, bestechen durch ihre Aussage, hört man sie in der deutschen Übersetzung; doch zu leben beginnen sie erst auf italienisch.
Was die Schweizer Sängerin an den Versen mag: "Das Wunder des Alltäglichen - das ist aber keine verklärte zeitlose Zeit, sondern sie ist voller Brüche wie unser heutiger Alltag." Und so rezitiert sie das Gedicht von der alten Frau, eine von vielen in den Tälern des Tessin, die stickt und dabei an ihren Vater denkt. Er arbeitete als Emigrant an der Sorbonne - als Steinmetz für's Feine: "Die Tessiner mussten hinaus aus diesen engen, armen Tälern", sinnert La Lupa. Sie selbst ist aus ihrer Heimat weggezogen, lebt bereits seit Jahrzehnten in Zürich, auch wenn sie die Sommer noch regelmässig in ihrem Dorf ganz hinten im Onsernone-Tal verbringt. Dort ist die Schweiz, wie sie der Titel der Aschaffenburger Herbstbuchwochen verspricht: "Hoher Himmel, enges Tal" - La Lupas Auftritt war der gelungene Auftakt für die Veranstaltungsreihe.
La Lupa liest, doch ihre ureigene Kunst, der Gesang, durchdringt die Worte: Orgelartig moduliert, untermalt die Schweizerin die Musikalität der Zeilen. Mal ruft sie wie ein Muezzin, nasal, fast wie eines dieser orientalischen Blechinstrumente, dann wieder thront ein helles, klares "Poi" wie ein I-Punkt über dem Satz. Das Klavier (Roger Girod) malt die Wiese, auf der die Tessinerin tanzt.
In welche Schublade lässt sich diese kraftvolle, eigenwillige Kunst stecken? "Canto expressionismo", schlägt sie selbst vor und zitiert die neapolitanischen Kritiken: "Das war das grösste Kompliment, das ich je für meinen Gesang bekommen habe."
La Lupa, zu deutsch Die Wölfin, hat die Gestik einer neapolitanischen Primadonna. Die alabasterne Handfläche zierlich an die Stirn gelegt, rollt sie melodramatisch mit den Augen: Der Oberkörper wippt mit, wenn sie wie in der "Litanei vom Gras" die rhythmisierte Aufzählung des Alltäglichen zur Anrufung macht: "Das Gras, das keinen Namen hat; das Gras, das viele Namen hat; die ich nicht mehr weiss."
Alberto Nessis Verse, erschienen unter dem Titel "Con tenera follia - Mit zärtlichem Wahnsinn", wurzeln fest im Tessin. Aber mit Heimat-Tümelei oder Bergidylle haben sie nichts gemein. Der freischaffende Schriftsteller und Publizist aus dem Mendrisiotto, 1940 geboren, begreift sich als Sprachrohr für "jene Generation, die mitangesehen hat, wie die Wiesen zu Zement wurden". Darum hat er die symbolschweren Rosen und Veilchen der Lyriktradition durch unscheinbare "niedere" Gewächse ersetzt; mit dem Gras - italienisch "l'herba" - erreicht die poetische Botanik ihr demütigstes Gewächs.
Ob ihm die ausdrucksstarke Inszenierung seiner Gedichte durch La Lupa gefällt? Gewiss, glaubt die Sängerin sie kennt den Dichter schliesslich persönlich: "Im Tessin kennen sich alle." Und er hat fest versprochen, ihren nächsten Auftritt im November in Zürich zu besuchen: Doch zuerst ist er zusammen mit seinen Tessiner Kollegen Giovanni Orelli und Antonio Rossi auf der Buchmesse in Frankfurt zu Gast, die in diesem Jahr unter dem Motto "Schweiz" steht.